Norddeutsche Teppichfabrik GmbH
Eine Nachricht wie ein Paukenschlag: Insolvenzverwalter Udo Müller (Hannover) hat das brachliegende Areal der Geesthachter Teppichfabrik verkauft. Neue Eigentümer sind das Wohnungsbauunternehmen und die Stiftung von Barbara und Kurt-Peter Gaedeke aus Mölln. Ihnen gehört seit 20 Jahren unter anderem das Ensemble von Schloss Wotersen. Über den Kaufpreis wurde zwischen den Vertragspartner Stillschweigen vereinbart.
Bürgermeister Schulze von Verkauf überrascht
„Ich bin gespannt, was die neuen Eigentümer vorhaben“, sagte Bürgermeister Olaf Schulze in erster Reaktion. Er sei von dem Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt „durchaus überrascht“. Noch vor einer Woche hatte die Politik eine Untersuchung beschlossen, um die Sanierungswürdigkeit des 22 Hektar großen Geländes an der Düneberger Straße zu prüfen. Das wäre für den Erhalt von 1,6 Millionen Euro an Fördermitteln, die Land und Bund der Stadt in Aussicht gestellt hatten, Voraussetzung gewesen.
Aktuell gilt ein Beschluss der Ratsversammlung, dass für private Investoren die Bauleitplanung für das als Industriegebiet ausgewiesene Grundstück nicht verändert wird. Damit wollte die Stadt ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Insolvenzverwalter stärken.
Käufer: Sicherungsmaßnahmen haben nun Priorität
„Sicherungsmaßnahmen haben für uns jetzt höchste Priorität“, erklärte Barbara Gaedeke. Sie hatte das Gelände am Wochenende mit ihrem Besuch besucht und zeigte sich vom Ausmaß des Vandalismus erschüttert. „Da wurde einfach nur blind alles kaputt gemacht“, sagte sie.
Wie berichtet, hatten zunächst Altmetalldiebe zum Jahreswechsel 2016/2017 die Gebäude regelrecht entkernt, seitdem wüteten Vandale und Brandstifter in den teilweise unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden der 1951 gegründeten Norddeutschen Teppichfabrik. Fenster wurden zerschlagen, Türen aufgebrochen, Möbel zertrümmert, Wände beschmiert, mindestens fünfmal Feuer gelegt.
Stadt möchte weiterhin eine Drittel-Lösung
„Es ist ein ganz besonderes Areal, und deshalb muss da zum Schutz der Denkmäler auch schleunigst etwas passieren“, sicherte Barbara Gaedeke erste Maßnahmen zu.
Zu Details, was sie und ihr Mann mit dem Gelände planen und was investiert werden soll, wollte sie nicht sagen. Die Stadt mit Schulze an der Spitze möchte eine Drittel-Lösung: Ein Drittel Wohnungsbau, ein Drittel Gewerbe sowie ein Drittel für Natur, Denkmalschutz und kulturelle Nutzung. „Wir hoffen auf eine vernünftige Zusammenarbeit mit der Stadt“, sagte Barbara Gaedeke.
WFL hofft auf neue Gewerbeflächen
„Für die Sache, für Geesthacht und den Kreis ist es sicher gut, dass das Vorhaben jetzt in der Hand eines Investors ist“, sagte Uhl Hahn, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft (WFL) des Kreises. Er hofft auch auf neue Gewerbeflächen an der Stelle.
Damit sich auf der Brache etwas tun kann, muss zunächst der Bebauungsplan (B-Plan) geändert werden. Er weist aktuell ein Industriegebiet aus. Außerdem zeigte der Flächennutzungsplan (F-Plan) für einen Teilbereich noch eine undefinierte weiße Fläche.
Alle Liegenschaften der ehemaligen Fabrik verwertet
„Es ist jetzt ein Status erreicht, den in der Stadt alle wollten. Sie haben jetzt einen Ansprechpartner für ihrer Anliegen“, erklärte Müller. Der Insolvenzverwalter teilte mit, dass er jetzt alle Liegenschaften der ehemaligen Teppichfabrik, die 2014 in die Insolvenz gegangen war, in der Stadt verwertet habe. Sobald alle noch offenen Forderungen beglichen seien, könnten auch die Gläubiger der Norddeutschen Teppichfabrik – darunter der städtische Abwasserbetrieb – mit einer Aufteilung der Einnahmen rechnen. Die Quote lasse sich aber noch nicht bestimmen, so Müller.
Fraktionen zwischen Zuversicht und Schock
Völlig überrascht nahmen die Fraktionschefs Kathrin Wagner-Bockey (SPD), Sven Minge (CDU), Ali Demirhan (Grüne) und Rüdiger Tonn (FDP) die neuesten Entwicklungen zur Teppichfabrik auf. Das Gelände wurde an Verwaltung und Politik vorbei vom Insolvenzverwalter an einen privaten Investor verkauft. Ob die Stadt, die so große Pläne für das Areal hatte, diese nun noch umsetzen kann, ist ungewiss.
„Das ist jetzt, wie es ist, und nun müssen wir sehen, dass wir zeitnah mit dem Investor in vernünftige Gespräche kommen“, sagte Sven Minge. Er möchte weiter an der Drittel-Lösung zur künftigen Nutzung festhalten, die auch Bürgermeister Olaf Schulze will, an der Bürgervorsteher Samuel Bauer (SPD) aber nicht zwingend hängst. „Wir müssen uns jetzt schütteln und sehen, wie wir unsere Vorstellungen einbringen können“, sagt Kathrin Wagner-Bockey.
Tonn: „Es wird keine Gefälligkeitsplanung geben“
Rüdiger Tonn setzt auf den Dialog mit dem Eigentümer. „Wenn unsere Interessen bei der Entwicklung des Areals berücksichtigt werden, sind wir natürlich bereit, das Baurecht entsprechend herzustellen. Es wird aber keine Gefälligkeitsplanung geben“, so Tonn. Dialog möchte auch Ali Demirhan. „Wir als Stadt haben da bei allen Ideen des Investors noch immer die Oberhand drauf“, macht er deutlich. Denn es gibt einen Beschluss der Ratsversammlung, nach dem das Planrecht nicht für einen anderen Käufer als die Stadt geändert werden soll.
„Natürlich wäre es einfacher, unsere Ideen zu verwirklichen, wenn wir Käufer wären. Aber es wird auch so gehen“, sagte Demirhan. „Brachliegen soll das Grundstück bitte nicht“, sagt Tonn. Und Minge bleibt zuversichtlich: „Ich bin davon überzeugt, dass der neue Besitzer auch Planungen im Auge hat, die zu unseren Vorstellungen passen.“